Das Grundstück des Spreedreiecks liegt inmitten des Geschäftsviertels des Berliner Stadtbezirks Mitte und wird flankiert von der Friedrichstrasse, dem gleichnamigen Stadt- und Fernbahnhof - einem wichtigen Einfallstor für Besucher der Stadt - und der Spree. Das ehrgeizige Ziel, auf diesem dreieckigen Grundstück ein Turmhaus zu errichten, bewegt seit über achtzig Jahren die Gemüter. Schon 1914 erwog der Architekt H. Geist, zwei elfgeschossige Türme auf dem Dreiecksgrundstück „höher emporsteigen zu lassen, als in Berlin üblich und gestattet“.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Deutschland von einem regelrechten Hochhausfieber erfasst: etliche unrealisierte Projekte entstanden – einige unter dem Einfluss des Expressionismus als visionäre Glaskathedralen, andere als monumentale Symbole einer konservativen nationalen Wiedergeburt.
Auf dem Spreedreieck wurde 1921 einer der ersten Wettbewerbe in Deutschland für ein Hochhaus ausgeschrieben. Die Aufgabe faszinierte die ohnehin so gut wie arbeitslosen Berliner Architekten. 144 Arbeiten wurden eingereicht.
Wenngleich die Jury erwartungsgemäß konservative Entwürfe prämierte und die Projekte in der Indifferenz der ‚Turmhaus Aktiengesellschaft’ versandeten, war die Bandbreite der Ideen erstaunlich. Der schwere, spätexpressionistische Dreifronten-Bau von Poelzig, die organhafte Riesengestalt des Entwurfs von Häring, die komplex zusammengefügte ‚Konsumkathedrale’ von Scharoun und vor allem der scharfkantige, reine ‚Kristall’ von Mies zeigten grundsätzliche Lösungen für Hochhäuser auf, die zu zentralen Topoi der architektonischen Moderne werden und die visionäre Stadt prägen sollten, wie sie beispielsweise in einem ingeniösen Modell für Fritz Langs Film Metropolis (1926) gebaut wurde.
1929 lud der neue Eigentümer des Grundstücks – die Berliner-Verkehrs-AG (BVG) – fünf Büros zu einem zweiten Wettbewerb für das Spree-Dreieck ein. Dabei lieferten zwei von ihnen bedeutende und innovative Beiträge zum Thema des städtischen Turmhauses: Mendelsohn verband ein prismatisches Volumen mit einer dynamisch gerundeten Form und Mies schlug ein gedrungenes, gewaltig inszeniertes gläsernes Repräsentationsgebäude vor. Jedoch sollte auch diesmal, bereits im Zeichen der Weltwirtschaftskrise, nichts realisiert werden.
Das 1962 auf dem Bahnhofsvorplatz errichtete Abfertigungsgebäude für Ein- und Ausreisende, der sogenannte ‚Tränenpalast’, verlor mit dem Fall der Mauer seine ursprüngliche Funktion und konvertierte zu einem Veranstaltungsort mit breit gefächertem Repertoire.
Der vorliegende Entwurf zeigt ein Turmhaus, das 54 Geschosse auf 216 Metern Höhe unterbringt und damit eine Brutto-Grundfläche (BGF) von 78.000 m² erreicht. Auf der Nullebene wird die Fläche eines rechtwinkligen, gleichschenkligen Dreiecks mit Kantenlängen von 76 und 54 Metern ausgefüllt, das dem angrenzenden, unter Denkmalschutz stehenden ‚Tränenpalast’ ausreichend Wirkung belässt. Das Hochhaus trägt mit seiner Geometrie auch einem weiteren Zwangspunkt Rechnung, indem es sich gerade noch zwischen den beiden unterirdischen Bahntrassen gründen lässt, ohne diese zu beeinträchtigen.
Um trotz des minimierten Baufensters eine angemessene wirtschaftliche Auslastung zu erreichen, weitet sich das Turmhaus nach oben hin auf. Die Geschossflächen nehmen bis zu einem Extremwert geschossweise zu, um dann wieder kleiner zu werden. Ihre Form transformiert sich homogen von einem Dreieck über vieleckige Zwischenformen bis hin zu einem Winkel in der ‚Dachaufsicht’. In der Beschreibung als eines subtraktiven Generierungsmodells kann die Baugestalt auch als Kubus gesehen werden, aus dem diagonale Teilvolumen herausgeschnitten sind.
Im städtebaulichen Maßstab bedeutet das in Abhängigkeit vom jeweiligen Blickwinkel – und auf diesen hin entwickelt – die Erzeugung unterschiedlicher Erscheinungsbilder des Turmhauses. Die umfeldbezogene Gestaltbildung wird zudem durch tageszeitlich wechselnde Lichtreflexionen auf den schrägen Fassadenflächen und deren Spiegelungen untereinander verstärkt.
Trotz wechselnder Geschosszuschnitte werden die Aufzugskerne nicht verzogen. Sie tragen die Geschossdecken und steifen das Gebäude aus. Die Geschosse sind offen für wechselnde Anforderungen. Sie leben von einem autarken, universalen Raum, der – nur durch die horizontalen Decken- und Fußbodenflächen begrenzt– einen Blickbezug zur Stadt und deren Marken herstellt - zum Reichstaggebäude, zum Bodemuseum, zum Dom.
Unter der Nullebene befinden sich die Lieferebene und neun Parkgeschosse, die Platz für 540 Stellplätze bieten. Die Einfahrt in die Tiefgarage erfolgt vom Bahnhofsvorplatz, der in seinen Ausmaßen unberührt bleibt. Der Haupteingang in das Gebäude orientiert sich zur Friedrichstrasse und führt in eine dreigeschossige Lobby, durch die die Verkehrsströme an der Sicherheitsschleuse vorbei zu den Aufzugskernen geleitet werden. Auf der Eingangsebene sind zudem extern nutzbare Flächen untergebracht, die über Nebeneingänge vom Reichstagufer und vom Bahnhofsvorplatz aus erschlossen werden können.