Das von 1902 - 1911 auf dem Areal der Alten Königsstadt nach dem Entwurf von Ludwig Hoffmann errichtete ehemals Neue und nun Alte Stadthaus gehört mit über 15.000 m2 Nettonutzfläche nicht nur zu den wichtigsten, sondern auch heute noch zu den größten Verwaltungsbauten Berlins. Es hat wie wenige Gebäude des Berliner Zentrums den Bombenhagel des 2. Weltkrieges nahezu unbeschädigt überstanden. Der einzig nennenswerte Verlust ist die Zerstörung des Stadthausdaches im Frühjahr 1945.
Eine schnelle Noteindachung verhinderte tiefgreifende Schäden des ansonsten intakten Gebäudes. Die Entscheidung, das Gebäude als Haus des Ministerrats der Deutschen Demokratischen Republik zu nutzen, führte ab 1959 zu einer etappenweisen Neueindachung. Ökonomische Zwänge und die für die Nachkriegsjahre signifikante Gleichgültigkeit gegenüber dem Denkmalbestand erzeugten eine architektonisch belanglose Sparvariante: ein zusätzlich aufgesetztes, zur Straße hin attikaartiges Bürogeschoss erhielt ein knappes Satteldach, dessen First die ursprüngliche Höhe um gut 5 m unterschreitet.
Die Unangemessenheit dieser Notlösung war durch die kriegsbedingte Freistellung der Stadthausfassade weithin sichtbar. Problematisch erschien dabei weniger die mangelhafte Aufstockung (u.a. verschobene Fensterachsen) als die Beeinträchtigung der Gesamtwirkung des Stadthauses: den Fassaden fehlt ihr Gegengewicht, der Turm steht unvermittelt wie ein Tafelaufsatz auf dem Gebäudeblock. Eines der wenigen und zugleich bedeutsamsten Baudenkmale des östlichen Berliner Zentrums ist in seiner stadträumlichen Erscheinung nachhaltig gestört, seine Denkmalaussage verfälscht.
Seit der Rückübertragung des Alten Stadthauses an das Land Berlin (1993) galt die Wiederherstellung der historischen Dachform als ein wesentliches Ziel der laufenden Sanierungsmaßnahme. Unser mit der Gesamtplanung beauftragtes Büro legte 1994 einen Dachentwurf vor, welcher zur Straßenseite das historische Mansarddach im Sinn einer „strengen Rekonstruktion“ einschließlich historischer Deckung und Fledermausgauben wiederholt. Die hofseitige Ansicht ist der erweiterten Nutzung (6. Bürogeschoss) gegenüber dem historischen Vorbild variiert.
Eine der historischen Dachkontur angepaßte Atelierverglasung öffnet die Büroräume vollflächig zu den Innenhöfen.
Das Alte Stadthaus gilt als der prägnanteste Ausdruck kommunalen Selbstbewusstseins im beginnenden 20. Jahrhundert. In unmittelbarer Nähe zum Roten Rathaus, dem Sitz des Regierenden Bürgermeisters sowie zahlreicher Vertretungen des Bundes, bildet das Alte Stadthaus das Herzstück des Dienstleistungszentrums Klosterstraße/Kleines Regierungsviertel.
Leitfaden der seit Frühjahr des Jahres 1994 einsetzenden Generalsanierung war der Rückbau des durch Kriegszerstörungen, aber auch durch seine Nutzung als Haus des Ministerrats der DDR bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Hauses auf seine ehemals klare und rationale Grundstruktur. Die Wiedergewinnung der verlorenen, orientierungsstützenden Raumqualitäten bedeutete dabei nicht nur die Wiederherstellung des Erschließungssystemes, sondern auch, in enger Abstimmung mit der Landesdenkmalpflege, die Freilegung der sie einstmals prägenden und strukturierenden Elemente: steinerne Türgewände, farbige Terrazzofußböden, einfach geputzte Wände und Gewölbe. Mit Erreichen der nahezu vollständigen Funktionstüchtigkeit des Alten Stadthauses rückte als besonderer Aspekt ins Zentrum der umfangreichen lnstandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahme: die Wiedergewinnung einer der bedeutenden Innenraumfolgen Berlins. Die Festhalle, der sogenannte Bärensaal, sollte als Höhepunkt der Raumsequenz des Hauptgeschosses zum Ort städtischer Öffentlichkeit werden: Festraum und Trauerhalle, Marktplatz und Bürgerforum. Der Rückbau der durch Kriegszerstörungen und Überformungen der Nachkriegsjahre bis zur Unkenntlichkeit entstellten sogenannten Mittelspange war und ist ein beispielloser Akt der „Großstadtarchäologie“.
Grundlage der Wiederherstellungs- und Neubaumaßnahmen bildete folgendes Konzept:
– Behutsame Wiederherstellung der historischen Haupträume unter weitgehender Erhaltung der vorhandenen Zeitspuren (Vestibül Klosterstraße, Große Festhalle, Vestibül Jüdenstraße).
– Ergänzung der bestehenden „Raumkette“ um das bisher fehlende Glied zwischen Festhalle und Vestibül Klosterstraße den neu gestalteten Innenhof E.